In der bunten Welt der Social Media finden sich neben Katzenvideos, Foodporn und Motivations-Reels auch immer wieder spannende sprachliche Phänomene! Wir werfen mal einen Blick auf den Imperativ, die Befehls- oder Aufforderungsform, die uns in den sozialen Medien besonders häufig begegnet. Schließlich sollen wir dazu inspiriert werden, das ein oder andere zu tun oder künftig zu lassen, zu erwerben oder zu abonnieren.
Der Imperativ: kurz, knackig und kompliziert
Eigentlich sollte der Imperativ das Einfachste der Welt sein: kurz, prägnant, direkt. „Komm her!“, „Geh hin!“, „Mach das jetzt!“
Die Grundregel für die Befehlsform – vom Infinitiv das „en“ streichen, eventuell aus klanglichen Gründen ein „e“ wieder hinzufügen – funktioniert für viele Verben im Deutschen, und zwar für die so genannten „schwachen“ Verben. Zum Beispiel: „Hör[e] auf dein Herz!“, „Klick[e] auf den Button!“, „Kauf[e] billig ein!“
Aber die deutsche Sprache wäre nicht die deutsche Sprache, wenn es keine Ausnahmen gäbe.
Wer hat nicht schon einmal gezögert, wenn man jemanden auffordern wollte, etwas zu geben, zu nehmen, zu essen oder zu lesen? „Geb mir bitte das Salz!“, „Nehm dir doch noch was!“, „Ess erst mal in aller Ruhe!“ „Les mir das mal vor!“? Das entspräche der erwähnten Grundregel. Aber wir haben es hier mit „starken“ Verben zu tun, die einen e-/i-Wechsel durchlaufen, und somit heißt es richtig:
- Gib mir bitte das Salz!
- Lies das laut vor!
- Nimm dir doch noch was!
- Iss erst mal in aller Ruhe!
Zerbreche vs. zerbrich dir nicht den Kopf!
Vor allem wenn Vorsilben ins Spiel kommen.
Stellen Sie sich vor, als aufstrebender Life-Coach wollen Sie Ihre Community dazu ermutigen, alte Gewohnheiten abzulegen. „Zerbreche deine Ketten!“ klingt sehr motivierend, oder? Vielleicht nicht für die Grammatik-Nerds unter den Followern. Auch wenn Sie als Food-Blogger eine detaillierte Kochanleitung schreiben – „Zerbreche deine Lasagne-Platten in mundgerechte Stückchen!“ –, der korrekte Imperativ lautet in beiden Fällen: „Zerbrich deine Ketten!“ Oder eben die Lasagne-Platten.
In einigen Branchen ist angesichts des starken Fachkräftemangels die Suche nach geeignetem Personal schon aufwendig genug. Verständlicherweise hat die Grammatik nachrangige Priorität und so werden die Talents bisweilen sprachlich nicht ganz korrekt gesucht:
Offensichtlich fällt die Bildung der korrekten Imperativ-Form noch mal schwerer, wenn sich Vorsilben (zer-, be-, ver-, er- etc.) vor das Verb schieben, wie weitere Fundstücke zeigen:
Das klingt zum Dahinschmelzen. Richtig wäre jedoch das unromantische „Verschmilz deine Liebe …!“
Oder ergib dich ihr (und dem Imperativ gleich mit):
Warum wird der Imperativ so oft falsch gebildet?
- Analogiebildung zu den regelmäßigen Formen
„Ich ergebe mich“, „Ich lese“, „Ich zerbreche …“, „Ich verschmelze …“ – da sind „Ergebe dich …!“, „Lese den Post“, „Zerbreche deine Ketten“, „Verschmelze … was auch immer“ als Imperativ naheliegend. Leider trotzdem falsch. - Der Wunsch nach melodischeren längeren Wörtern
Gerade bei Aufforderungen klingen die längeren Formen „Gebe“, „Bewerbe“ und „Verschmelze“ freundlicher und melodischer als die kurzen, fast militärisch wirkenden Einsilbenwörter: „Gib!“, „Bewirb!“, „Verschmilz!“ - Die Macht der Gewohnheit
Man hat es schon so oft falsch gehört und gelesen, dass es sich irgendwie richtig anfühlt.
Liked (?) das bitte: Anglizismen und deutsche Grammatik
„Liked und subscribed jetzt!“ Treffen Anglizismen auf deutsche Wortbildungsregeln, kommt es häufig zu Konflikten. Glücklicherweise werden aus dem Englischen übernommene Verben regulär (also wie „schwache“ Verben) dekliniert und so muss man sich beim Imperativ nicht mit e- und i-Wechseln beschäftigen. Etwas vereinfacht lautet die Faustregel auch hier: vom Verb den Stamm nehmen (indem man beim Infinitiv das „en“ streicht) und bei Bedarf wieder ein „e“ anhängen:[1]
- Like das bitte!
- Check deine Basis!
- Update dein System!
- Chill mal!
Will man alle seine Follower ansprechen und braucht daher den Plural, nimmt man die gleiche Form wie für die 2. Person Plural Präsens (das ist die Form, die mit dem Pronomen „ihr“ verwendet wird). Diese wird gebildet, indem man an den Verb-Stamm noch ein -t (bzw. -et) anhängt:
gehen → geh + t: Ihr geht nach Hause → Geht nach Hause!
Analog bei den Verben aus dem Englischen:
Ihr likt das → Likt das!
Ihr updatet das System → Updatet das System!
Ihr downloadet das PDF → Downloadet das PDF!
Ihr timt oft schlecht → Timt das besser!
Ihr framt die Inhalte so, wie es euch passt → Framt nicht so viel!
Ihr subscribt am besten sofort → Subscribt endlich!
Das sieht für Sie komisch aus? Entspricht aber alles den Duden-Regeln. Sie werden sich bestimmt daran gewöhnen (warum sollte „Subscribt endlich“ auch schlimmer sein als „Managt das bitte“?).
Vielleicht weichen Sie aber deshalb wie manche Podcaster lieber auf eine Umschreibung aus: „Lasst mir ein Abo da …“
Die Balance finden
Als Büro für Lektorat und Übersetzungen im Bereich Werbung und Marketing müssen wir immer wieder die Balance zwischen grammatikalischer Korrektheit und kreativer Sprachanwendung finden.
Oft ist der Kontext entscheidend: In einem professionellen LinkedIn-Post sollte nicht allein der Imperativ korrekt verwendet werden; in der TikTok-Story darf dagegen durchaus unkonventionell formuliert werden.
Wir als Sprachprofis finden solche sprachlichen Trends faszinierend. Wo nötig steuern wir behutsam in die grammatisch richtige Richtung.
Doch nicht als gnadenlose Grammatiktugendwächter, denn: Ein authentischer Ausdruck kann wirkungsvoller sein als 100%ige Perfektion – vor allem wenn ein Text als Ganzes sprachlich gelungen ist. Und um das sicherzustellen, haben Sie ja uns!
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[1] Für die besonders Interessierten hier die ausführliche Regel aus „Duden ‒ Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“, 9. Auflage, Berlin 2021:
Der Imperativ Singular wird teilweise mit einem auslautenden -e gebildet, teilweise ohne. Bei den meisten Verben wird die Form ohne Endungs-e bevorzugt. (…)
Wasch deine Hände! Steig ein! Sag die Wahrheit!
Bei den Verben auf -ern und -eln sind jedoch die Formen mit -e in der Standardsprache verbindlich (wobei das e der Bildungssilbe ‒ besonders bei -eln ‒ auch wegfallen kann): förd[e]re!, hand[e]le!, samm[e]le!, trau[e]re nicht!
Formen wie handel! förder! kommen in der Alltagssprache aber auch vor.
Auch Verben, deren Stamm auf -d oder -t endet, haben im Allgemeinen das Endungs-e: Achte sie! Binde die Schnur! Biete / (auch:) Biet nicht zu viel!
Schließlich stehen auch Verben mit einem Stamm auf Konsonant + m oder n im Allgemeinen mit dem Imperativ-e: Atme langsam! Widme ihm das Buch! Rechne sorgfältig!
Ausnahmen sind hier diejenigen Verben, bei denen dem m oder n ein m, n, r, l oder h vorausgeht: Kämm[e] dich! Qualm[e] nicht so! Lern[e] fleißig! Rühm[e] dich nicht selbst!
Quelle:
Ergebe dich ihr: https://www.amazon.de/Ergebe-Dich-Ihr-verbotene-Militärromanze-ebook/dp/B0D72PYDM8