• 13. Mai 2019

Wer hat Angst vorm Genderstern?

Von Regina Müller

Wer hat Angst vorm Genderstern?

Wer hat Angst vorm Genderstern? 750 500 Anne Fries

Dass Eva aus Adams Rippe geformt wurde, glauben nur noch die wenigsten, und auch sonst hat sich bei den Geschlechterbeziehungen seit biblischer Zeit vieles verändert. Aber in der deutschen Sprache ist nach wie vor das (generische) Maskulinum Maß aller Dinge. Sie gehen „zum Friseur“, der meistens eine Friseurin ist, „zum Arzt“, laut Praxisschild „Dr. Eva Eden“, und arbeiten mit zehn „Kollegen“ zusammen, von denen neun weiblich sind.

„Ist doch klar, dass Frauen mitgemeint sind“, sagen die einen. „Das generische Maskulinum ist ungerecht und sorgt oft nicht für klare Verhältnisse“, widersprechen die anderen. Willkommen im Gender-Krieg!

Es ist aber auch schwierig, im Gender-Dschungel den Überblick zu behalten: Die Schrägstrichschreibweise „Mitarbeiter/-innen“ bzw. „Mitarbeiter/innen“ ist inzwischen aus Stellenanzeigen bekannt, doch „BürgerInnen“, „Leser*innen“, „Fußgänger_innen“ gelten manchen als monströse Auswüchse einer linksorientierten Studenten-, Pardon, Studierendenszene.

Wie vor dem Gesetz galt in der Sprache lange Zeit „männlich“ als das Maß aller Dinge, „weiblich“ war zweitrangig, und für alles jenseits dieser Kategorien fehlten die Worte. Seit kurzem erlaubt die deutsche Gesetzgebung auch den Eintrag „divers“ ins Personenstandsregister. Sollte die Rechtschreibung nicht nachziehen und Gendersternchen (*) und Gendergap (_) zulassen, die als Platzhalter für alle „diversen“ Personen dienen?

Mit dieser Frage hat sich Ende 2018 der Rat für deutsche Rechtschreibung (RfdR) befasst. Er nimmt zur Kenntnis, dass Binnen-I, Gendersternchen, Gendergap und Ähnliches zwar in bestimmten Communitys verbreitet sind, will aber dafür keine Empfehlung aussprechen. Das heißt:

Wer an das amtliche Regelwerk gebunden ist und trotzdem Wert auf geschlechtergerechtes Schreiben legt, muss immer die weibliche und männliche Formen nennen oder, wo möglich, auf neutrale Ausdrücke wie „Studierende“ zurückgreifen.

Was tun, wenn wenig Platz vorhanden ist? Korrekt gemäß Regelwerk sind eigentlich nur die Formen mit Schrägstrich + Ergänzungsstrich, also zum Beispiel „Mitarbeiter/-innen“. Doch es gibt ein paar Fallstricke:

  • Der Dativ ist der Sparschreibung ihr Tod: „Den Mitarbeitern/-innen“ funktioniert nicht, weil dann „Mitarbeiterninnen“ gelesen würde. Im Dativ ist Doppelnennung Vorschrift.
  • Nicht überall lässt sich ein „-in“ dranhängen: Viele männliche Substantive enden auf „e“. Bei „Kollege“ zum Beispiel ist der Wortstamm „Kolleg-“, und daran wird dann entweder „e“ oder „-in“ angefügt. „Kolleg/-innen“ wäre also nicht korrekt, nur „Kolleginnen und Kollegen“.
  • Die Pünktchen auf dem a, o, u: Einige Substantive bilden die weibliche Form mit Umlaut. „Hausarzt/-in“, „Sternekoch/-in“ oder „Sparfuchs/-in“ ist nicht zulässig. Auch in solchen Fällen müssen beide Formen ausgeschrieben werden.

Übrigens: Die eingeklammerte Form „ein(e) Mitarbeiter(in)“ ist zu vermeiden, weil in diesem Fall die weibliche Form als zweitrangig empfunden werden könnte.

Nun die gute Nachricht: Wer nicht an das amtliche Regelwerk gebunden ist, kann sich unter den Sparschreibungen austoben.

Inzwischen hat es sich zum Beispiel in Stellenausschreibungen eingebürgert, den Ergänzungsstrich wegzulassen, also nur „Mitarbeiter/innen“ zu schreiben. Auch das Binnen-I wie bei „MitarbeiterInnen“ ist in vielen Kontexten gängig. Sollen Personen berücksichtigt werden, die weder männlich noch weiblich sind, kann auf Gendersternchen oder Gendergap zurückgegriffen werden, also „Mitarbeiter*innen“ oder „Mitarbeiter_innen“.

Da diese Formen gar nicht im Regelwerk vorgesehen sind, ist es auch üblich, hier lockerer mit der Deklination umzugehen. Also: der/die KollegIn, den Mitarbeiter*innen bzw. Mitarbeiter_innen.

Zum Glück bietet die deutsche Sprache diverse Möglichkeiten, das Genderproblem kreativ zu umschiffen.

Der Hinweis „Jede Besucherin und jeder Besucher wird gebeten, ihren oder seinen Platz sauber zu hinterlassen“ klingt noch recht umständlich. Der Plural macht den Satz schon lesbarer: „Alle Besucherinnen und Besucher werden gebeten, ihren Platz sauber zu hinterlassen.“ Ganz knackig: „Bitte den Platz sauber hinterlassen!“ So kurz, dass vielleicht sogar ein „Danke!“ auf das Schild passt.

Oder sehen wir uns doch einmal den bekannten Warnhinweis „Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ an. Dieser würde bei konsequentem Gendern ziemlich unlesbar werden:

„Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre/-n Ärztin/Arzt oder Ihre/-n Apotheker/-in“. Das lässt sich elegant umgehen mit der Umformulierung „… holen Sie ärztlichen oder pharmazeutischen Rat ein“. Warum nicht einfach so?

Weitere Infos:

DUDEN – Richtig gendern
Wie Sie angemessen und verständlich schreiben
Berlin 2017, 1. Auflage, Dudenverlag

Hier geht’s zum ausführlichen Bericht des RfdR

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